… und dann wurde es Weiß!
Von
Valentina Colella
Kurator
Vittoria Biasi
Von
Valentina Colella
Kurator
Vittoria Biasi
Verständnis ist keine Frage von Zeit und Raum:
Es hängt von der Reife des Geistes ab.
Was spielt es für eine Rolle,
ob jemand im Morgenland oder im Abendland lebt?
Ramana Maharsi
Mit seinen Studien über die Anatomie der Körper und der natürlichen Elemente, die bestimmte Gesetzmäßigkeiten teilen, hat Leonardo da Vinci ein Verfahren der Kenntnis der menschlichen Gesetze im Zusammenhang mit den Naturgesetzen eingeführt, um sich Zugang zu einem höheren System zu verschaffen. Sein Traktat über die Malerei ist Ausdruck der formalen, einheitlichen Erfahrung der erforschten Welt. Diese Welt ist Einsicht und Träger von Werten, die den Weg zur Technologie geöffnet haben und in die Wahrnehmung der Systeme einführen. Die Verbindung zwischen dem Herzen und dem künstlerischen Ausdruck liegt in der Beobachtung und Beachtung der Regel. In der zeitgenössischen Kunst ist die Aufmerksamkeit gegenüber der Natur keine Suche nach Zuflucht in einer Zeit der globalisierten Angst: Sie ist Antwort auf die Suche nach einer anderen Regel für das Verständnis, die Anerkennung, die Integration in ein höheres, bescheiden ausgewähltes System.
In der Poesie von Valentina Colella ist die Welt der Natur eine Art Wegbeschreibung, die auf Gespenster, auf Helden verweist, welche, abseits jeder zeitlichen Projektion, ihre Freiheit im geistigen Raum verwirklichen, ähnlich wie im Luftraum. Die Künstlerin beginnt ihre Reise mit Photographien von Netzen und Gittern für Käfige und Fenster, als Gedankenmomente über die Idee der Auflehnung, die das Leben des Menschen begleitet und „in der Verfassung der Welt verankert“ zu sein scheint.
Die Kunst des Sehens und des Hörens hat sich in der Beziehung mit dem Gefühl des Lebens geformt und ihre Werke sind eine Bestätigung dafür.
In der Ausstellung „Attese impossibili“ („Unmögliche Erwartungen“) vereint Valentina Colella den abgelegenen Ort, an dem sich die Abwesenheit abgespielt hat, mit der Vision des Fluges eines Vogels im Himmelsausschnitt ihres Fensters. Der Vogel ist das sichtbare Element, welches die reelle Welt mit dem virtuellen Raum vereint. Als Überträger der Tiefgründigkeit findet sich seine Ausdrucksmöglichkeit in der Wiederholung seines eigenen Bildes, welches sich allmählich herausbildet und vergrößert, langsam verschwindet und schließlich „weiß“ wird. Der Anblick des Verschwindens stellt das Bewusstsein des Nicht-Erlebten dar: Es ist das Vermissen einer Welt, eines Projektes, das Unerreichbare des Weißen, das jeder Kultur zu eigen ist.
Die Darstellung offenbart die komplementäre Natur von Gedächtnis und Wunsch. Diese werden zur Polarität des Projektes „Awaiting my lucky star“ („In Erwartung meines glückbringenden Sterns“), gedacht als ritueller Dialog zwischen Himmel und Erde.
Der Blick auf einige der früheren Kunstwerke erlaubt es einen richtungsweisenden Weg ausfindig zu machen, der zur Poesie von „…und dann wurde es Weiß“ führt, der Fortsetzung von „Attese impossibili“ („Unmögliche Erwartungen“).
Die Künstlerin nimmt ausstehende Themen in Angriff, konzentriert sich auf den eine Spirale ziehenden Flug, wie auf der Suche nach einem metaphysischen Gedanken. Der Schwerpunkt dieser Suche befindet sich im Bewusstsein der unergründlichen Tiefe der Leere, sowohl physisch als auch psychologisch, bloßgelegt im Ritual der Wiederholung. Das Konzept wird mit der Wahl der monochromatischen Darstellung wiedergegeben, unter bevorzugter Anwendung der Farbe Hell-Magenta.
Valentina Colella hat mit dem Profil eines Vogels gearbeitet, unerwartete Analogien gefunden, eine territoriale Analyse durchgeführt und dadurch Beobachtungsgegenden identifiziert, die frei von Veränderung, von Umweltzerstörung und Orte der ersten Begegnung mit dem Umfeld waren. Es ist, als fände in der Künstlerin eine Begegnung zwischen Ort und Erinnerung statt, wodurch das Werk eine Arbeit über unzeitgemäße Gefühle ist, weil sie über die Vergangenheit und die Gegenwart hinausgeht.
In “…und dann wurde es Weiß!” befasst sich Valentina Colella mit dem Flug des Bussards, ein Vogel, der in den Abruzzen vorkommt, aber auch in einigen Gegenden Europas und Asiens zu Hause ist. Die Künstlerin analysiert sein Verhalten und wählt einige Verhaltensmuster aus, die sie fast mit dem Wunsch durchleuchtet, sich ihre Regeln eigen zu machen. Die Welten existieren unabhängig vom Beobachter, denjenigen, die versuchen, sich in ihre Zusammensetzung Einblick zu verschaffen, die Regeln zu ergründen, wie ein Gefühl des grenzüberschreitenden Bewusstseins, welches in anderen Bereichen angewandt werden kann. Diese Welten ahnen ihre eigenen Geheimnisse nicht und der Mensch bewegt sich innerhalb des Systems wie eine unbekannte Einheit.
“Der Flug weckt seit einigen Jahren meine Aufmerksamkeit”, schreibt Valentina Colella, „ich gehe ihn mit einer sorgfältigen und rituellen Vorgehensweise an. Der Gebrauch eines Papiermessers und das Ausschneiden des Flugprofils ist, als wäre ich dem Moment nahe, in dem die Flügel die Luft durchschneiden. Während der andächtigen Arbeit des Schnitts erobere ich die Leere, die Phasen des Fluges, ich sehe das Volle und das Weiße der Seite, das als Einziges zwischen meinen Fingern bleibt. Ich ziehe das Warten auf Vollendung der Vollständigkeit des Kunstwerkes vor, weil die Sprache der Gestaltung der Suche nach verschiedenen Meditationsebenen entspricht.
Die Organisation des Projektes über den Flug setzt sich aus sich ergänzenden Passagen zusammen, aus Katalogisierungen im Dialog mit den Studien von Leonardo da Vinci. Der Bezug ist wie eine Andeutung stiller Bestätigung im Blick des Meisters, aber auch Bekundung des zeitgenössischen Gedankenguts, unsere Idee von Begrenzung zu überwinden, die „rhythmische, zyklische, ausdrucksvolle Natur der ursprünglichen Welt zu erreichen“, gegen „die Macht des Geistes“, die starre Natur der Regeln, der Normen, der Hierarchien, des konventionellen Wissens, der künstlichen Zeit, der Moral, der Ideologien und der religiösen Dogmen“.
Die Künstlerin isoliert den Bussard aus seinem natürlichen Habitat und übergibt ihm die heroische Interpretation der Zeit, verfolgt seine Bewegungen, Flüge und Ausführungen. Er nimmt die Bedeutung der extremen Bekräftigung von Freiheit an, das Bedürfnis einer Existenz jenseits aller Zwänge, gemäß der eigenen uneinnehmbaren Identitätsregel.
Der Titel der Ausstellung entspringt der Konzeption der Kunstwerke, die das Ziel haben, ein Jenseits zu erreichen, die Grenze des Sichtbaren zu überschreiten. Die mit bewusst wiederholtem Ritual ausgeschnittenen oder bemalten Silhouetten entwickeln ein horizontales und ein in die Tiefe gehendes Fortschreiten für eine imaginäre, unsichtbare, weiße Begegnung zwischen Mensch, Vogel und my lucky star. Aus der Erfahrung des Reellen entsteht eine neue Phantasie: Dies ist ein philosophisches Prinzip der Recherche, der Liebe, des Eigenstolzes.
Vittoria Biasi
Es hängt von der Reife des Geistes ab.
Was spielt es für eine Rolle,
ob jemand im Morgenland oder im Abendland lebt?
Ramana Maharsi
Mit seinen Studien über die Anatomie der Körper und der natürlichen Elemente, die bestimmte Gesetzmäßigkeiten teilen, hat Leonardo da Vinci ein Verfahren der Kenntnis der menschlichen Gesetze im Zusammenhang mit den Naturgesetzen eingeführt, um sich Zugang zu einem höheren System zu verschaffen. Sein Traktat über die Malerei ist Ausdruck der formalen, einheitlichen Erfahrung der erforschten Welt. Diese Welt ist Einsicht und Träger von Werten, die den Weg zur Technologie geöffnet haben und in die Wahrnehmung der Systeme einführen. Die Verbindung zwischen dem Herzen und dem künstlerischen Ausdruck liegt in der Beobachtung und Beachtung der Regel. In der zeitgenössischen Kunst ist die Aufmerksamkeit gegenüber der Natur keine Suche nach Zuflucht in einer Zeit der globalisierten Angst: Sie ist Antwort auf die Suche nach einer anderen Regel für das Verständnis, die Anerkennung, die Integration in ein höheres, bescheiden ausgewähltes System.
In der Poesie von Valentina Colella ist die Welt der Natur eine Art Wegbeschreibung, die auf Gespenster, auf Helden verweist, welche, abseits jeder zeitlichen Projektion, ihre Freiheit im geistigen Raum verwirklichen, ähnlich wie im Luftraum. Die Künstlerin beginnt ihre Reise mit Photographien von Netzen und Gittern für Käfige und Fenster, als Gedankenmomente über die Idee der Auflehnung, die das Leben des Menschen begleitet und „in der Verfassung der Welt verankert“ zu sein scheint.
Die Kunst des Sehens und des Hörens hat sich in der Beziehung mit dem Gefühl des Lebens geformt und ihre Werke sind eine Bestätigung dafür.
In der Ausstellung „Attese impossibili“ („Unmögliche Erwartungen“) vereint Valentina Colella den abgelegenen Ort, an dem sich die Abwesenheit abgespielt hat, mit der Vision des Fluges eines Vogels im Himmelsausschnitt ihres Fensters. Der Vogel ist das sichtbare Element, welches die reelle Welt mit dem virtuellen Raum vereint. Als Überträger der Tiefgründigkeit findet sich seine Ausdrucksmöglichkeit in der Wiederholung seines eigenen Bildes, welches sich allmählich herausbildet und vergrößert, langsam verschwindet und schließlich „weiß“ wird. Der Anblick des Verschwindens stellt das Bewusstsein des Nicht-Erlebten dar: Es ist das Vermissen einer Welt, eines Projektes, das Unerreichbare des Weißen, das jeder Kultur zu eigen ist.
Die Darstellung offenbart die komplementäre Natur von Gedächtnis und Wunsch. Diese werden zur Polarität des Projektes „Awaiting my lucky star“ („In Erwartung meines glückbringenden Sterns“), gedacht als ritueller Dialog zwischen Himmel und Erde.
Der Blick auf einige der früheren Kunstwerke erlaubt es einen richtungsweisenden Weg ausfindig zu machen, der zur Poesie von „…und dann wurde es Weiß“ führt, der Fortsetzung von „Attese impossibili“ („Unmögliche Erwartungen“).
Die Künstlerin nimmt ausstehende Themen in Angriff, konzentriert sich auf den eine Spirale ziehenden Flug, wie auf der Suche nach einem metaphysischen Gedanken. Der Schwerpunkt dieser Suche befindet sich im Bewusstsein der unergründlichen Tiefe der Leere, sowohl physisch als auch psychologisch, bloßgelegt im Ritual der Wiederholung. Das Konzept wird mit der Wahl der monochromatischen Darstellung wiedergegeben, unter bevorzugter Anwendung der Farbe Hell-Magenta.
Valentina Colella hat mit dem Profil eines Vogels gearbeitet, unerwartete Analogien gefunden, eine territoriale Analyse durchgeführt und dadurch Beobachtungsgegenden identifiziert, die frei von Veränderung, von Umweltzerstörung und Orte der ersten Begegnung mit dem Umfeld waren. Es ist, als fände in der Künstlerin eine Begegnung zwischen Ort und Erinnerung statt, wodurch das Werk eine Arbeit über unzeitgemäße Gefühle ist, weil sie über die Vergangenheit und die Gegenwart hinausgeht.
In “…und dann wurde es Weiß!” befasst sich Valentina Colella mit dem Flug des Bussards, ein Vogel, der in den Abruzzen vorkommt, aber auch in einigen Gegenden Europas und Asiens zu Hause ist. Die Künstlerin analysiert sein Verhalten und wählt einige Verhaltensmuster aus, die sie fast mit dem Wunsch durchleuchtet, sich ihre Regeln eigen zu machen. Die Welten existieren unabhängig vom Beobachter, denjenigen, die versuchen, sich in ihre Zusammensetzung Einblick zu verschaffen, die Regeln zu ergründen, wie ein Gefühl des grenzüberschreitenden Bewusstseins, welches in anderen Bereichen angewandt werden kann. Diese Welten ahnen ihre eigenen Geheimnisse nicht und der Mensch bewegt sich innerhalb des Systems wie eine unbekannte Einheit.
“Der Flug weckt seit einigen Jahren meine Aufmerksamkeit”, schreibt Valentina Colella, „ich gehe ihn mit einer sorgfältigen und rituellen Vorgehensweise an. Der Gebrauch eines Papiermessers und das Ausschneiden des Flugprofils ist, als wäre ich dem Moment nahe, in dem die Flügel die Luft durchschneiden. Während der andächtigen Arbeit des Schnitts erobere ich die Leere, die Phasen des Fluges, ich sehe das Volle und das Weiße der Seite, das als Einziges zwischen meinen Fingern bleibt. Ich ziehe das Warten auf Vollendung der Vollständigkeit des Kunstwerkes vor, weil die Sprache der Gestaltung der Suche nach verschiedenen Meditationsebenen entspricht.
Die Organisation des Projektes über den Flug setzt sich aus sich ergänzenden Passagen zusammen, aus Katalogisierungen im Dialog mit den Studien von Leonardo da Vinci. Der Bezug ist wie eine Andeutung stiller Bestätigung im Blick des Meisters, aber auch Bekundung des zeitgenössischen Gedankenguts, unsere Idee von Begrenzung zu überwinden, die „rhythmische, zyklische, ausdrucksvolle Natur der ursprünglichen Welt zu erreichen“, gegen „die Macht des Geistes“, die starre Natur der Regeln, der Normen, der Hierarchien, des konventionellen Wissens, der künstlichen Zeit, der Moral, der Ideologien und der religiösen Dogmen“.
Die Künstlerin isoliert den Bussard aus seinem natürlichen Habitat und übergibt ihm die heroische Interpretation der Zeit, verfolgt seine Bewegungen, Flüge und Ausführungen. Er nimmt die Bedeutung der extremen Bekräftigung von Freiheit an, das Bedürfnis einer Existenz jenseits aller Zwänge, gemäß der eigenen uneinnehmbaren Identitätsregel.
Der Titel der Ausstellung entspringt der Konzeption der Kunstwerke, die das Ziel haben, ein Jenseits zu erreichen, die Grenze des Sichtbaren zu überschreiten. Die mit bewusst wiederholtem Ritual ausgeschnittenen oder bemalten Silhouetten entwickeln ein horizontales und ein in die Tiefe gehendes Fortschreiten für eine imaginäre, unsichtbare, weiße Begegnung zwischen Mensch, Vogel und my lucky star. Aus der Erfahrung des Reellen entsteht eine neue Phantasie: Dies ist ein philosophisches Prinzip der Recherche, der Liebe, des Eigenstolzes.
Vittoria Biasi
Der Direktor des Kulturinstituts Köln, Lucio Izzo, unterstreicht „ihren Dialog im Sinne der Zeitgenossenschaft und der Auffassung des, auch sozialen, Engagements der Kunst, welche aber weder die Emotionen und die individuelle Empfindung der den Orten eigenen Geheimnisse ausschließen noch ihre wesentliche Poesie. In diesem Sinne verleiht die Künstlerin dem Heutigen Italien Ausdruck, auf der einen Seite tief verankert im Territorium und in seiner Geschichte, auf der anderen gleichzeitig in die Zukunft projektiert: es ist der Geist der seit Jahrhunderten unsere Kultur bestimmt und der im Bewusstsein der europäischen Angehörigkeit unsere heutige Identität und unseren Beitrag zur globalen Kultur auszeichnet.